Ruhrkälte by Salutzki Birgit

Autor:Salutzki, Birgit [Salutzki, Birgit]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783863589066
Herausgeber: Emons
veröffentlicht: 2015-11-18T16:00:00+00:00

Stimmungstod – I feel the skies are closing in

Donnerstag, 5. März, 6.45 Uhr

Das einzig Positive an der Hochzeit war der Verzicht auf Anzug und Co., zumindest bei der Zeremonie am Vormittag. Sina und Sebastian hatten es den Gästen freigestellt, in Galakleidung aufzutauchen oder den üblichen Tauchanzug zu wählen. Seine Teilnahme am nachmittäglichen Empfang, bei dem auch Eltern und Schwiegereltern anwesend sein würden, hatte er nach einem Gespräch mit Sina abgesagt. Noch eine Unterbrechung konnte er sich nicht leisten. Jeder Mitarbeiter des Polizeipräsidiums hatte seine Aktivitäten dem Mordfall unterzuordnen. Lenz’ klare Ansage galt auch für ihn. Oder erst recht für ihn, schließlich leitete er den Fall.

Die Wanduhr zeigte Viertel vor sieben, genügend Zeit, um eine Runde durch das Bülser Büschchen zu drehen. Er streifte seine Jogginghose und ein verwaschenes Bandshirt über. Eine gute Gelegenheit, die neuen Schuhe einzulaufen, in zwei Monaten stand der Vivawest-Marathon an. Längere Strecken für die Vorbereitung hatte er aufgrund der prekären Lage im Polizeipräsidium nicht in Angriff genommen. Auch heute blieb wenig Zeit. Wenn er den Lauf mit einem für ihn befriedigenden Ergebnis beenden wollte, würde er einen Trainingsplan ausarbeiten müssen.

Marius verstaute das Handy im Trainingsgürtel und lief los. Um diese Uhrzeit wachte der Stadtteil langsam auf. Viele der Rollläden waren noch geschlossen, auf der nahen Buer-Gladbecker-Straße zeugte ein gleichmäßiges Rauschen vom morgendlichen Berufsverkehr.

Als er unter der Unterführung herlief, brummte sein Handy lang anhaltend. Nicht jetzt. Noch bevor er weitere Gedanken an den Anrufer verschwendete, stoppte das Vibrieren.

Wie ein eisiger Hauch hatte die kalte Luft Raureif über die Natur im Park gelegt. Mit jedem Schritt fokussierte sich Marius mehr auf den Mordfall. Das neu zusammengestellte Team hatte in kürzester Zeit Valentin Bergmanns Hintergründe durchleuchtet. Bauer und Steffens hatten gestern Nachmittag die Leiterin des Vinzenzheims in Herne, in dem Valentin zuerst untergebracht worden war, besucht. Sie hatte sich noch genau an Val erinnert. Kinder von Eltern mit einer ausgeprägten Drogenkarriere schlitterten teilweise sehr früh ins Milieu. Der Sänger habe mit zehn Jahren den ersten Kontakt mit Schnüffelstoffen gehabt.

Marius passierte die Brücke, die den Eingang des Parks markierte, und lief weiter in Richtung Westfälische Hochschule.

Valentin Bergmann hatte seinen Freundeskreis mit Poppers versorgt. Die Schnüffelstoffe entfalteten ihre Wirkung innerhalb kürzester Zeit. In das Haus, das mit strenger Hand geführt worden war, hatte der Querulant nicht reingepasst. In den folgenden Jahren hatte er mehrere Heime durchlaufen. Überall das gleiche Schema. Mit den Jahren hatte sich sein eigener Drogenkonsum gesteigert. Nach jeder Familie, die mit seinem Verhalten nicht klargekommen war und das Experiment Pflegekind vorzeitig beendet hatte, war er weiter abgestürzt. Erst als er ins Luisenstift überstellt worden war, hatte sich seine Lage gebessert.

Marius dachte an Vals Beziehung zu Nathalie. Sie hatte sich für ihn eingesetzt, hatte bewirkt, dass er an einem Entzug teilnehmen durfte – mit Erfolg. Erstmals hatte der junge Mann Zuwendung erfahren. Als Folge wurde er offener für wahre Freundschaften, die nicht auf Drogenkonsum aufgebaut waren. War seine Dankbarkeit zu der Person, die ihn gerettet hatte, so groß gewesen, dass er sich das Tattoo »Forever bound« für sie hatte

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